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11.11.2009, 12:49 | #1 |
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Der Opernroman
Gudrun hat sich wieder wundervolle Gedanken gemacht über:
Petra Morsbach ‚Opernroman’ Der Roman befasst sich mit dem Erlebnisbereich der Oper, dort wo sich Kunst entfaltet, schildert das Leben auf der Bühne, hinter den Kulissen und auf Nebenschauplätzen, das Agieren, Stärken und Schwächen der Stars und Künstler, deren Beziehungen zur Kunst und den Umgang miteinander. Als roter Faden durchlaufen den Roman die Rollen und Wirkungsbereiche von Jan, dem Korrepititor und Babs, der Regieassistentin. Autorin ist gleichzeitig Babs, die diesen Roman als ‚Abitte’ entstehen lässt, betroffen durch das Schicksal und den Tod ihres HIV-Infizierten Kollegen Jan, der abseits und unbemerkt, sich davon gemacht hat und verstorben ist. Sie beschreibt die gemeinsam erlebte Zeit an einem kleinen Provinztheater in Neustadt. Am Anfang steht die Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe in der Neuinszenierung von Wagners ‚Tristan und Isolde’. Thema und Hintergründe der Oper spiegeln die autobiografische Schilderung von Babs. Bezug ist in vielen Teilen das Sterben von Jan. Hinweise gibt es bereits früh, S.13 …’er ähnelt jetzt einer bleichen, dicklichen Fledermaus’… ‚ (Nachttier – Todessehnsucht…) später spielt die Operette Fledermaus eine Rolle! Weiteres Vorausmerkmal: S.23 …’Für ihn ist das So sterben wir, um ungetrennt sozusagen der Beginn der Vereinigung. Die Stimmen findet Jan, verlieren sich hier………’ Zu seinen Fähigkeiten wird u.a.gesagt: ‚Jeder Korrepititor ist ein ausgebildeter Dirigent, der überzeugt davon ist, dass nur er weiß, wie man es richtig macht…….Jan, in dessen Kopf die Partitur richtig erklingt, kann das, was er im Orchestergraben hört, nur als brutale Parodie empfinden….’ Tristan ersehnt den Tod und sucht die Erlösung in der Transformation, dem Übergang auf eine neue Ebene ,vom Diesseits ins Jenseits , in der Überwindung und Vereinigung der Pole Leben und Tod, Mann und Frau, Tag und Nacht, der Liebestaumel ist der Weg zum Sterben….. Jan ist bemüht, der Kunst zu dienen….(Musik als Behauptung der Menschlichkeit gegen den Wahnsinn der Welt…! ) Er muss am Ende die Oper verlassen und geht in den Tod, Babs dagegen bestätigt das Leben, sie ist schwanger, als sie sehr viel später von Jans Sterben erfährt …….. Die musischen Anforderungen der Wagnerschen Oper spielen in der Inszenierung neben dem weiteren Theater- und Orchesterleben eine Rolle. Partituren und Dissonanzen sind eine Gradwanderung und Herausforderung für jeden Künstler, so wie die Todesarie von Tristan nur von wenigen Tenören zu bewältigen ist. Kunst führt zur Grenzüberschreitung, S.29 ‚Das Publikum unterwirft sich mit einem Schrei.’ Die Kunst hat gewonnen in der Auflösung der Pole Mensch – Kunst. Musik und Kunst können das Leben transformieren, auf höhere Ebenen stellen. ……. Der Alltag in der Oper lehrt andere Erfahrungen. Künstlerisch hoch angesiedelte Attribute, wie vollendeter Gesang, Ausdruck und Übertragung von Träumen und Sehnsucht, verlieren sich in menschlichen individuellen Bedürfnissen und Unzulänglichkeiten. So zeigt der ‚Heldentenor’ James aus Oklahoma eine recht ‚robuste’ Einstellung zur Tristan-Rolle. So versucht er sie ‚rambomäßig’, umzusetzen, spielt damit eher sich selbst und zeigt keinerlei Ambitionen, sich in Sinn und Hintergrund der Regieanweisungen zu vertiefen. S.15,16. Genauso egozentrisch wird die Gastsängerin Peggy, ‚Isolde’, beschrieben; auch ihr gelingt es nicht, sich nach den Regievorstellungen mit der Rolle zu identifizieren. S.20,21. So wird nahe gebracht, wie die Stars viele Bemühungen von Seiten der Regie erschweren und untergraben, weil ihre eigenen Bedürfnissen die übernommenen Rollen gestalten. Die Autorin beschreibt das Theaterleben in schillernden Episoden bis in den letzten Winkel hinter der Bühne. Man befindet sich beim Lesen sehr schnell in einem pulsierenden Mikrokosmos – Theater - . Es werden in grotesker, teilweise leichter, liebevoller Form die menschlichen Schwächen und Stärken, die Besonderheiten der Künstler und des umfangreichen Theaterstabes in verschiedensten Situationen verdeutlicht. Jan leidet unter diesen Strukturen, weil er der Kunst dienen möchte. ( S. 119 ….. ‚ Der ahnt was ihm fehlt, und agiert, um uns zu täuschen! Er will die Kunst unter seinen Willen zwingen, aber die Kunst lässt sich nicht zwingen. Willkür schafft keine Kunst. Kunst ist Essenz des Lebens, wer das Leben nicht empfindet, kann es nicht gestalten. Verleugnung der Empfindung ist obszön! brüllt Jan im stillen und schlägt den Klavierdeckel zu……’ Jans Persönlichkeit unterscheidet sich in vielem von seinen Kollegen und den übrigen Mitwirkenden. Er geht eher in diesem Trubel der konkurrierenden Machenschaften unter. Er ist anders als die Künstler, die sich in der ihnen eigenen Selbstdarstellung bewegen, er zeigt keine Starallüren, keine Missgunst und Neid oder oberflächliches Verhalten. Das Klima hinter den Kulissen ist geprägt durch Leistungsdruck und Erfolg. Für den Erfolg scheint kollegiales in den Hintergrund zu geraten, künstlerische Begabungen und Leistungen setzen sich oft weniger durch als Machtpositionen und Intrigen. So manch fähiges Talent muss trotz guter Ausbildung, Mühsal, Idealismus und Fleiß in diesen Strukturen scheitern und von der Bühne verschwinden. Der Einblick in diese Hintergründe bestätigt den umfassenden Einsatz, den die Kunst von den Beteiligten abfordert. Grausam geschildert werden z.B. die Strukturen von Auswahlverfahren, das Vorsingen und Vorspielen, das für die meisten Bewerber trotz großer Vorbereitung und Fleiß scheitert und Karrieren traurig beenden kann. Die zwischenmenschlichen Strukturen zeigen sich ebenso wechselhaft und unzuverlässig wie auf der Bühne. |
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